Interview mit BBH-Partner und Rechtsanwalt Markus Ladenburger zum Insolvenzrecht

Geht ein Unternehmen insolvent, so ist das aus vielen Gründen nicht schön: Das Geschäftsmodell des Unternehmens scheitert, Arbeitsplätze gehen verloren und die Geschäftspartner des Unternehmens stehen oft mit völlig leeren Händen da.

 

Dennoch ist das Insolvenzrecht ein faszinierender und oft missverstandener Bereich des juristischen Spektrums. Warum er morgens „mit einem Lächeln und mit Freude in das Büro“ fährt, erklärt uns der Insolvenzrechtler und BBH-Partner Rechtsanwalt Markus Ladenburger in einem Interview.

 

Geht ein Unternehmen insolvent, so ist das aus vielen Gründen nicht schön: Das Geschäftsmodell des Unternehmens scheitert, Arbeitsplätze gehen verloren und die Geschäftspartner des Unternehmens stehen oft mit völlig leeren Händen da.

Dennoch ist das Insolvenzrecht ein faszinierender und oft missverstandener Bereich des juristischen Spektrums. Warum er morgens „mit einem Lächeln und mit Freude in das Büro“ fährt, erklärt uns der Insolvenzrechtler und BBH-Partner, Rechtsanwalt Markus Ladenburger in einem Interview. 

LASSEN SIE UNS GANZ GRUNDSÄTZLICH BEGINNEN: WOZU DIENT DAS INSOLVENZVERFAHREN? WELCHE RECHTLICHEN SCHRITTE UND VERFAHREN SIND KENNZEICHENEND? WIE LANGE DAUERT SO EIN INSOLVENZVERFAHREN?

[lacht] Eins nach dem anderen.

Nach dem Willen des Gesetzgebers hat ein Insolvenzverfahren das Ziel, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen:

- Erstens ist es möglich, die Zahlungsfähigkeit des Schuldners wiederherzustellen. Das Unternehmen kann beispielsweise über einen Insolvenzplan saniert werden. Eine andere Möglichkeit wäre es, die Vermögensgegenstände bestmöglich auf einen Erwerber zu übertragen. Wenn auch das nicht möglich ist, werden die Vermögensgegenstände des Schuldners verwertet, um damit die Gläubiger gemeinschaftlich zu befriedigen. Konnte ein Unternehmen nicht saniert werden, geht mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens seine Löschung aus dem Handelsregister einher.

- Ist der Schuldner eine natürliche Person, gibt es daneben noch die sog. Restschuldbefreiung. Hält sich der Schuldner an die Spielregeln und erfüllt bestimmte Obliegenheiten, kann er auf Antrag nach frühestens drei Jahren von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern befreit werden. Letzten Endes ist das dann ein Neustart.

- Gern übersehen wird, dass zweitens der Schuldner durch ein Insolvenzverfahren in seinen Rechten geschützt wird. Sein Einkommen bleibt beispielsweise bis zu einem bestimmten Betrag verschont und er behält die Möglichkeit, seine Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen. Häufig bleibt die sogenannte Verwaltungs- und Verfügungserlaubnis auch beim Unternehmen, sodass dieses oftmals trotz Zahlungsunfähigkeit weiter wirtschaften kann.

- Mit einem Insolvenzverfahren werden schließlich (und drittens) auch gesamtwirtschaftliche Ziele verfolgt. Grundsätzlich ist es wünschenswert, Unternehmen zu erhalten, sodass viele Arbeitsplätze gesichert werden können.

Neben dem Schuldner und den Gläubigern als „Hauptplayer“ steht zunächst im Regelfall der vorläufige Insolvenzverwalter auf dem Feld. Nach circa drei Monaten geht das vorläufige Verfahren dann in ein endgültiges Insolvenzverfahren über. In größeren Verfahren gibt es außerdem einen sogenannten Gläubigerausschuss, bestehend aus Vertretern der Banken und der Bundesagentur für Arbeit. Häufig sitzt im Gläubigerausschuss aber auch ein Mitarbeiter aus dem Unternehmen und eine Gruppe aus Lieferanten. 

Die Dauer des Insolvenzverfahrens lässt sich wie so häufig im Recht mit einem „Es kommt drauf an“ beantworten. Teilweise dauert ein Insolvenzverfahren viele Jahre. Teldafax oder Schlecker sind hier gute Beispiele! Das Teldafax-Verfahren läuft seit 2011, die Schlecker-Pleite datiert aus dem Jahr 2012 – und beide Verfahren sind noch nicht beendet. Allerdings gibt es auch Insolvenzverfahren, die innerhalb eines Jahres über die Bühne gehen. Das ist vor allem der Fall, wenn es gelingt, das Unternehmen durch einen Insolvenzplan zu sanieren. 

IST JEDER FALL UNTERSCHIEDLICH? ODER LAUFEN DIE FÄLLE NACH EINEM STANDARDPROGRAMM?

Da gibt es schon gewaltige Unterschiede. Insbesondere dadurch, dass mittlerweile immer mehr Unternehmen während des Insolvenzverfahrens in die Eigenverwaltung gehen. Dementsprechend muss unterschieden werden, ob die Verwaltung- und Verfügungsbefugnis bei dem Schuldner bleibt, oder auf einen Insolvenzverwalter übergeht. Außerdem ist immer zu prüfen, ob ein Unternehmen sanierungsfähig ist. Auch hier gibt es gewaltige Unterschiede in den ergriffenen Maßnahmen. 

Von daher sind die Verfahren sehr unterschiedlich, sonst würde meine Arbeit ja auch irgendwann langweilig werden.

IST ES NICHT DEPRIMIEREND, DAUERHAFT MIT UNGLÜCK, INSOLVENZEN UND PANNEN KONFRONTIERT ZU WERDEN?

Augen auf bei der Berufswahl, würde ich sagen! Da ist schon was dran. Aber der Schwerpunkt bei BBH und somit mir liegt darin, in der Krise eines Schuldners den bzw. die Geschäftspartner auf der Gläubigerseite zu betreuen und zu beraten. Da kann man den Mandanten schon viel Gutes tun. Allerdings räume ich ein, dass meine BBH-Kolleg*innen, welche zum Beispiel den Bau eines großen Windparks rechtlich oder betriebswirtschaftlich begleiten, die Mandanten erst einmal glücklicher machen dürften als wir Insolvenzrechtler.

WAS SIND DIE HÄUFIGSTEN URSACHEN FÜR FIRMENPLEITEN?

Sehr oft sind Managementfehler kausal für die spätere Pleite. Die Geschäftsleiter versuchen oftmals so lange es nur irgendwie geht, einen Insolvenzantrag hinauszuzögern. Dies kann allerdings ein gefährliches Unterfangen sein, da die Insolvenzordnung für juristische Unternehmen klar vorgibt, wann spätestens ein Insolvenzantrag gestellt werden muss. Unterbleibt der rechtzeitige Antrag, setzen sich die Vertretungsorgane dem Risiko zivil- und strafrechtlicher Inanspruchnahme aus.

Es gibt aber natürlich auch Ereignisse, wo die besten Manager an ihre Grenzen stoßen. Wenn ein Geschäftsmodell beispielsweise durch den plötzlich ausbrechenden Ukraine-Krieg negativ beeinflusst wird, kann man einem Manager diesen überraschenden Umstand unter Umständen nicht vorwerfen. Natürlich sollte man aber als Geschäftsleiter immer zusehen, dass Risikomanagement betrieben wird und vorausschauend Aktionen und Reaktionen möglich bleiben, die am Ende eine Insolvenz verhindern. Aber wenn man sich eben die Pleiten anschaut, gibt es in vielen Fällen Situationen, wo sich feststellen lässt, dass die Weichen falsch gestellt wurden. Also beispielsweise zu sehr ins Risiko gegangen wurde und infolgedessen die Liquidität ausgeht. Das führt dann letzten Endes zu der Insolvenz.

WAS MACHT DAS GEBIET DES INSOLVENZRECHTS FÜR SIE SO SPANNEND? WAS HAT SIE DAZU BEWOGEN, SICH AUF DAS INSOLVENZRECHT ZU SPEZIALISIEREN?

Das Interesse am Insolvenzrecht kam bei mir erst mit der Zeit. Wenn ich auf mein Studium zurückblicke, gab es schon Momente, wo ich die Insolvenzordnung (bzw. die damalige Konkursordnung), nun sagen wir mal, wahrgenommen habe. Allerdings kam der Bezug zum Insolvenzrecht bei mir durch meine Tätigkeit im Forderungsmanagement. Wenn es um den Einzug offener Forderungen geht, dann ist die Kenntnis des Insolvenzrechts natürlich hilfreich. Richtig tief eingestiegen in die Materie bin ich im Jahr 2011. Da gab es die große Pleite des Energielieferanten Teldafax. Viele Netzbetreiber wurden damals vom Insolvenzverwalter im Wege der Insolvenzanfechtung in Anspruch genommen und BBH hat viele der betroffenen Unternehmen rechtlich beraten und vor Gericht verteidigt. In Summe haben wir seinerzeit von einem Tag auf den anderen mehr als hundert Netzbetreiber vertreten. Alles lief auch über meinen Schreibtisch. Durch diesen Fall ist meine Leidenschaft für das Insolvenzrecht entstanden und an Fällen mangelte es nicht mehr. BBH hat sich in der Branche einen Namen gemacht, gerade auch was die Verteidigung gegen Insolvenzanfechtungsansprüche angeht. 

HABEN SIE JEMALS IHRE BERUFSWAHL BEREUT?

Noch nie! Ich bin mit Leidenschaft Rechtsanwalt und meine Themen sind richtig spannend. Prima ist, dass ich mich innerhalb meiner Tätigkeit viel bewegen kann, also räumlich wie geistig viel Neues sehe. Außerdem habe ich hier in München um mich herum ein großartiges Team. Aber natürlich gibt es auch bei mir Arbeitstage, wo ich lieber beim Skifahren, im Stadion und natürlich zu Hause bei meiner Familie wäre. Aber tatsächlich ist es so, dass ich an den allermeisten Tagen mit einem Lächeln und mit Freude morgens in das Büro fahre.

FALLS SIE DARÜBER SPRECHEN KÖNNEN/ MÖCHTEN: WAS WAR IHR SPANNENDSTER FALL AUF DEM GEBIET DES INSOLVENZRECHTS?

Es gab viele „Leuchtturmverfahren“ und nicht über alle kann ich sprechen. Die Teldafax-Pleite erwähnte ich ja schon. Unglaublich ist, dass dieser Fall aus dem Jahr 2011 noch immer die ordentlichen Gerichte beschäftigt (und damit auch BBH). Aktuell betreuen wir viele Mandanten im Zusammenhang mit der Pleite des wahrscheinlich größten Biomethanhändlers in Deutschland, der bmp greengas GmbH. Immer dann, wenn von einer Pleite sehr viele Geschäftspartner betroffen sind, wird es besonders spannend. Dann können wir bei BBH Dinge skalieren und für unsere Mandanten das bestmögliche Ergebnis erzielen.

SIE SIND EBENFALLS IM RECHTSBEREICH LITIGATION UND FORDERUNGSMANAGEMENT TÄTIG. WELCHEN ANTEIL IHRER ARBEIT MACHT DABEI DAS INSOLVENZRECHT AUS?

Bei mir persönlich liegt der Schwerpunkt schon im Insolvenzrecht. Im Bereich Forderungsmanagement und Litigation übernehme ich mittlerweile vor allem koordinative Aufgaben. Also insbesondere die Kommunikation zwischen meinem Team und den Mandanten. Aber auch wenn ich in der Realisierung von Einzelforderungen nicht mehr so häufig selbst aktiv werde wie das früher der Fall war, habe ich schon noch einen guten Überblick über alle Mandate, die von meinem Team betreut werden.

WIE HAT SICH DAS INSOLVENZRECHT IM LAUFE DER ZEIT VERÄNDERT? WIE SCHÄTZEN SIE KARRIEREMÖGLICHKEITEN FÜR ANGEHENDE INSOLVENZRECHTLER EIN?

Veränderungen sehe ich vor allem darin, dass die Sanierung von Unternehmen immer mehr in den Fokus gerät. Es wurde beispielsweise mit dem StaRUG ein Verfahren eingeführt, welches eine Sanierung bzw. Restrukturierung außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens ermöglichen soll. Wenn das am Ende funktioniert, freut mich das besonders.

Karrieremöglichkeiten gibt es auch im Insolvenzrecht viele. Ich selbst durfte bereits als Referendar in einer Rechtsanwaltsboutique viel lernen und habe es seinerzeit sehr zu schätzen gewusst, von erfahrenen Kollegen an die relevanten Rechtsgebiete herangeführt zu werden. Das versuche ich bis heute, an den juristischen Nachwuchs weiterzugeben. 

WORIN BESTEHEN BESONDERE HERAUSFORDERUNGEN IM INSOLVENZRECHT? WELCHE FÄHIGKEITEN SIND IN DIESEM BEREICH BESONDERS Wichtig?

Eine Insolvenzrechtlerin/ein Insolvenzrechtler sollte ein gewisses Grundverständnis für wirtschaftliche Vorgänge mitbringen. Ich habe nicht parallel BWL studiert, habe mich aber schon zu Schulzeiten dafür interessiert. Diese Kenntnisse erleichtern die Arbeit, da man sich dann besser in den Geschäftsführer hinein versetzen kann, welcher in der Krise steckt. 

Wenn man mit Zahlen nichts am Hut hat, ist das Beraten mit Insolvenzbezug zwar nicht per se ausgeschlossen, allerdings fällt dann vielleicht manches schwerer. Ich denke aber ohnehin, dass sich diejenigen, die im Gymnasium in Mathematik gut waren, auch in der Juristerei ein Stück weit leichter tun. Denn auch Jura erfordert viel analytisches Denken.

WÄCHST MAN IN DEN BERUF REIN UND ERLERNT MAN DIE GENANNTEN FÄHIGKEITEN AUF DEM WEG ODER GIBT ES SPEZIELLE FORTBILDUNGEN? 

Es gibt eine Menge an Fortbildungsmöglichkeiten. Sowohl intern durch unsere Angebote in der BBH-Akademie, als auch extern. 

Die meisten Kolleg*innen, die aus dem Studium oder Referendariat kommen, haben keine vertieften Kenntnisse im Insolvenzrecht. Insofern wächst man auch ein Stück weit in den Beruf rein und wird von erfahrenen Kolleg*innen angeleitet. 

Zu Beginn meines Berufseinstieges habe auch ich vom Insolvenzrecht wenig Ahnung gehabt. Aber wenn einem das Rechtsgebiet Spaß macht, bohrt man immer tiefer, wächst an den Aufgaben und besucht Fortbildungsveranstaltungen.

GAB ES WÄHREND DER CORONA-KRISE EINE GROßE INSOLVENZWELLE? SIND SIE ALS GEWINNER DER PANDEMIE ZU BEZEICHNEN?

Man hätte es erwarten können. Dem war aber nicht so.

Während Corona gab es vielfältige Hilfsmaßnamen des Staates. Zum Beispiel gab es die Preisbremsen, welche dazu geführt haben, dass Verbraucher und Unternehmen weniger für Strom und Gas zahlen mussten. Ferner gab es während der Coronakrise eine Aussetzung der Insolvenzantragsverpflichtung. 

Generell waren die Insolvenzzahlen seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2007/08 rückläufig. Das ging sogar so weit, dass Arbeitsplätze in den Insolvenzverwalterkanzleien gefährdet waren. Seit dem Frühjahr 2023 gehen die Insolvenzverfahren aber wieder nach oben. Das spüren wir auch bei BBH.

Vielen Dank für das Interview!