Brennpunkt Netze: Die Regulierungskonferenz als Leitveranstaltung der Netzwirtschaft

Am 17. Mai lud die Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) die Branche zu ihrer traditionellen Regulierungskonferenz nach Berlin. Endlich wieder gemeinsam vor Ort diskutieren – darüber freuten sich nicht nur die zahlreichen Teilnehmer*innen, sondern auch die Moderator*innen Prof. Christian Theobald und Prof. Dr. Ines Zenke. Denn sie hatten ein volles Programm im Gepäck. „Wir brauchen eine sinnvolle Transformation der Netze“, stellte BBH-Partnerin Prof. Dr. Ines Zenke mit Blick auf die Umstellung der Energieversorgung bis 2035 fest. Das Osterpaket beschäftige sich allerdings kaum mit den Verteilnetzen. Dabei ist klar, dass v.a. die Stromverteilnetze den Zubau der Erneuerbaren Energien aufnehmen müssen. Die Gasverteilnetzbetreiber wiederum müssen sich kurzfristig auf eine drohende Gasmangellage vorbereiten. Gleichzeitig sei ein schneller Hochlauf von Wasserstoff ohne die Gasnetzinfrastruktur undenkbar, so Zenke.

„Wo bleibt die Technologieoffenheit in Richtung Wärmeversorgung?“, fragte deshalb Prof. Dr. Ines Zenke in Richtung Bundesnetzagentur. Deren neuer Präsident Klaus Müller konzedierte den Vorrang von Strom gegenüber Wasserstoff und grünen Gasen in der aktuellen Diskussion. VKU-Chef Ingbert Liebing wies allerdings darauf hin, dass es bei aktuell lediglich 15% Erneuerbaren-Anteil an der Wärmeversorgung noch ein weiter Weg bis 100% sei. Bei Wasserstoff seien die Meinungen aus der Branche wiederum heterogen, so Müller. Liebing jedenfalls warb für eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung als wichtigen Bestandteil der Transformation. Diese sichere gerade die kommunale Selbstverwaltung.

Die Frage über die Zukunft der Gasnetzbetreiber lässt Müller offen. Es werde Gasleitungen geben, die zusätzlich gebraucht werden, es werde aber auch Leitungen geben, die nicht mehr gebraucht werden. Ingbert Liebing stellte eine Studie in Aussicht, die aufzeigen soll, wie eine zukünftige Gasinfrastruktur mit rückläufigen Nutzerzahlen aussehen kann. 

Bezüglich der aktuellen Gasbeschaffungssituation will Müller so lange wie möglich auf Preissignale setzen, bis die Bundesnetzagentur ihre Rolle als Bundeslastverteiler einnimmt. „Wir reden zu viel über eine Gasnotlage und zu wenig darüber, wie wir sie vermeiden“, sagte der Bundesnetzagentur-Präsident. Einen Preiscap für Gas schließlich hält er für den falschen Weg. Wer soll einen cap in einer Gasmangellage finanzieren?, fragte Müller. Er regt eine klare Offensive zur Energieeffizienz, zu Gas sparen an.

Ein weiterer Brennpunkt im Netzbereich ist die EK-Verzinsung, die die Bundesnetzagentur für die 4. Regulierungsperiode weiter abgesenkt hat – dies trotz der steigenden Herausforderungen für und Investitionsnotwendigkeiten in die Netze. „Die existentiellen Erfordernisse der Energiewirtschaft und die aktuellen Entwicklungen werden in der EK-Festlegung nicht berücksichtigt“, sagte der Hauptgeschäftsführer des VKU Ingbert Liebing. BBH begleitet aktuell 475 Beschwerdeverfahren gegen die Festlegung vor dem OLG Düsseldorf. Zwar ließ sich Klaus Müller nicht auf eine inhaltliche Diskussion ein, versicherte aber: „Natürlich wird in der Bundesnetzagentur die aktuelle Zinsentwicklung berücksichtigt und diskutiert.“

Ob in der obersten Regulierungsbehörde im September letzten Jahres nun Champagnerkorken geknallt sind oder nicht – klar ist, dass der EuGH eine Hinwendung zum Europarecht in der Regulierung fordert. Dabei ist, darauf wies Prof. Dr. Ines Zenke hin, Energiepolitik eine nationale Angelegenheit. Und Anne-Christin Frister, Vorsitzende Richterin am OLG Düsseldorf, betonte, dass EU-Richtlinien in der Regel reine Absichtserklärungen seien: ein Wunschkonzert. Mit Blick auf die Rechtsschutzmöglichkeiten bezweifelt BBH-Partner Stefan Missling, dass diese der Rechtsprechung genügend materielle Orientierung an die Hand geben. Wie die EuGH-Entscheidung in deutsches Recht umgesetzt werden kann, beschäftigt aktuell das Bundeswirtschaftsministerium, wie BMWK-Referentin Elisabeth Kopp versicherte.

Der Vorstandsvorsitzende der GASAG Georg Friedrichs zeigte, wie schmal der Grat für Verteilnetzbetreiber zwischen regulatorischen An- und Überforderungen ist; dabei machte er deutlich, dass der gewünschte Hochlauf beim Wasserstoff ohne die Gasverteilnetzbetreiber nicht funktionieren wird. Das veranlasste Prof. Dr. Christian Theobald zu der durchaus provozierenden Frage, ob in Zeiten, in denen jedenfalls die Gasverteilnetze zunehmend mit verschiedensten Formen alternativer Wärmeversorgung konkurrieren, überhaupt noch natürliche Monopole darstellen. „Wenn deren Voraussetzungen aber nicht mehr gegeben sind“, so Theobald weiter, „entfällt die verfassungs- und übrigens auch europarechtlich gebotene Rechtfertigung für staatliche Eingriffe wie in Regulierung und Unbundling“; jedenfalls die Gasbinnenmarktrichtlinie müsste dann entsprechend angepasst werden.

Den letzten Brennpunkt an diesem Nachmittag bildete die Digitalisierung. Impulse kamen von Peter Bergmann, Vorstand der BBHC, BBH-Partner Axel Kafka, Kerstin Meissner, Ministerialrätin und Leiterin der Landesregulierungsbehörde Sachsen, Dr. Christian Reuber, Geschäftsführer der MEGA Monheimer Elektrizitäts- und Gasversorgung GmbH und Dr. Norbert Reuter, Geschäftsführer der Stadtwerke Konstanz GmbH. Peter Bergmann gab Einblicke in die BBHC-Digitalisierungsstudie, an der insgesamt 40 Netzbetreiber teilnahmen. Das Verständnis, dass die Digitalisierung helfen kann, sei immer da, aber oft fehlt die Unterstützung bei der Umsetzung und Durchführung, so Bergmann. „Viele wollen erst mal schauen, was die anderen machen“, betont Bergmann, „deshalb dauert alles.“

Das Spannungsfeld von Energiewende und aktuellen Entwicklungen wie dem Ukraine-Krieg, das war ein Thema, das immer wieder aufkam, betonte Prof. Dr. Christian Theobald zum Abschluss der Konferenz. Dazu wurde die Regulierung von allen Seiten betrachtet, von der Seite der Bundesnetzagentur, der Politik, der Rechtsprechung und natürlich den Unternehmen. „Es ist eine ganz besondere Leistung gerade der Stadtwerke, dieser immer komplexer werdenden Welt den Bürger*innen und Verbraucher*innen vor Ort zu erklären. Wenn es noch keine Stadtwerke gäbe, müsste man sie spätestens jetzt erfinden“, so Theobald abschließend.

Becker Büttner Held ist ein führender Anbieter von Beratungsdienstleistungen für Energie- und Infrastrukturunternehmen und deren Kunden. Den Kern der Mandantschaft bilden zahlreiche Energie- und Versorgungsunternehmen, vor allem Stadtwerke, Kommunen und Gebietskörperschaften, Industrieunternehmen sowie internationale Konzerne. Diese und viele Unternehmen und Institutionen aus anderen Bereichen unterstützt BBH sowohl in allen Rechtsfragen als auch betriebswirtschaftlich und strategisch.

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