Interview mit BBH-Partner Dr. Michael Weise

Ob Stromnetzzugang, Messwesen oder Vertragsgestaltung – seine Expertise verbindet juristische Tiefe mit technischem Verständnis. Rechtsanwalt Dr. Michael Weise ist seit über 16 Jahren bei der BBH-Gruppe am Standort Stuttgart und seit sechs Jahren Partner. Energierecht ist seine Leidenschaft, die er auch als Lehrbeauftragter und Mitglied des IHK-Energieausschusses auslebt. Im Interview spricht er über interdisziplinäre Zusammenarbeit, seine Motivation und darüber, welche Eigenschaften im Energierecht besonders gefragt sind.

Herr Dr. Weise, gab es einen Moment, in dem Ihnen klar wurde: „Energierecht, das ist genau mein Thema!“?

Nein, den gab es nicht. Es war auch nicht das Rechtsgebiet, das mich zu BBH geführt hat. Ich wusste vor meiner Tätigkeit bei BBH nicht, was Energierecht überhaupt sein soll, und habe mich bis dahin dafür auch nicht interessiert. 

Ich bin zu BBH – und damit zum Energierecht – gekommen, weil im Jahr 2009, meinem Berufseinstieg, bekanntlich eine Finanzkrise herrschte. Viele Kanzleien hatten de facto einen Einstellungsstopp. Nicht so BBH! Man kann also sagen: Eine Krise hat mich zu BBH und damit zum Energierecht geführt. Geblieben bin ich bis heute, was sicher auch – aber nicht nur – am Rechtsgebiet liegt.  

Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit im Energierecht und was motiviert Sie auch nach über 16 Jahren immer noch?

Die stete Veränderung. Das Energierecht ist kein eingeschwungenes Rechtsgebiet. Hinzu kommt, dass Energiefragen im politischen und gesellschaftlichen Fokus stehen. Man arbeitet in einem sehr relevanten Rechtsgebiet. Es gibt einen großen politischen Gestaltungswillen und somit eine hohe Gesetzgebungsaktivität. 

Ihre Tätigkeit umfasst ein breites Spektrum, das vom Stromnetzzugang über das Messwesen bis hin zur Vertragsgestaltung reicht. Was genau beinhaltet Ihr Arbeitsalltag?

Ich berate tatsächlich in einem recht breiten Themenfeld. Das ist untypisch im Energierecht, da die zunehmende Komplexität eigentlich eine Spezialisierung erfordert. Die anwaltliche Tätigkeit im Energierecht birgt also das Risiko, zum detailverliebten Fachspezialisten zu werden – umgangssprachlich gern als „Fachidiot“ bezeichnet. Glücklicherweise kann ich mir bisher eine gewisse thematische Breite bewahren, auch wenn das immer anspruchsvoller wird. 

Mein Arbeitsalltag beginnt mit einer 17 km langen Radtour ins Büro, ich ziehe mich in der kleinen Garderobe in meinem Büro um und begrüße meine Teamkolleginnen und -kollegen mit dem ersten Kaffee – über den Tag verteilt werden das sehr viele, unser Kaffeeautomat ist einfach überragend. Und dann gehts an die Arbeit, mit E-Mails, Ausarbeitungen, Teams-Terminen usw. Vorher gibt's aber noch die Besprechung der Pläne fürs Mittagessen, unser Team-Highlight. Arbeitsteilig geht jeweils eine Gruppe einkaufen und dann wird gemeinsam gekocht. 

Welche Eigenschaften und Fähigkeiten sind im Energierecht besonders gefragt, gerade in den ersten Berufsjahren?

Meiner Meinung nach ist die wichtigste Fähigkeit, Energierecht verständlich zu machen und damit eine Transferleistung für Mandanten zu erbringen. Das Energierecht ist zu einem esoterischen Rechtsgebiet geworden, in dem nur „Eingeweihte“ verstehen, welche Bedeutung die Regelungen haben. Ich habe das jüngst vor Gericht erlebt, als eine Richterin meinte, sie würde sich schwer damit tun zu verstehen, worum es in dem Rechtsstreit überhaupt ginge – um die kaufmännischen Auswirkungen des Asynchronmodells in der Strom- und Gasmengenbilanzierung, ein gutes Beispiel. Dem hat sich auch der gegnerische Rechtsanwalt angeschlossen. Ich habe dann einiges zur bilanziellen Abwicklung von Strom- und Gaslieferungen erzählt; das meiste davon nahm die Richterin in das Protokoll auf.  

Worauf kommt es also an: Energierecht verständlich machen, also Rechtstexte in verständliche Sprache zu überführen, und im besten Fall daraus eine Handlungsempfehlung abzuleiten. Das setzt jedoch voraus, dass man Energierecht selbst (wirklich) versteht. Daher gilt für Berufseinsteiger: Alles an Wissen aufsaugen, was geht! Die Lernkurve im ersten Jahr ist bei Energierecht in der Regel sehr steil.

Warum würden Sie Berufseinsteiger:innen empfehlen, ihre Karriere bei der BBH-Gruppe zu starten?

Weil das ein Rechtsgebiet mit Relevanz und Zukunft ist! Und natürlich, weil BBH unbestritten die beste Kanzlei der Welt ist. :-)

Was war rückblickend Ihre größte berufliche Herausforderung und wie sind Sie damit umgegangen?

Gerichtsverfahren zu verlieren. Danach habe ich eine neue Robe erhalten – die Geschichte dazu erzähle ich gern ein anderes Mal – und seitdem habe ich (bis heute) jedes Verfahren gewonnen. Es gibt hierfür zwei Erklärungen: Entweder ist es eine Glücksrobe oder meine Verfahrenspraxis und das Verlieren haben mich angespornt und besser gemacht. Ich bin mir sicher, es ist die Robe. 

Welches berufliche Erlebnis ist Ihnen noch besonders positiv in Erinnerung geblieben? Was ist Ihr schönstes Learning?

Als „Chef“ habe ich gelernt, dass Menschen mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen ausgestattet sind. Wenn es gelingt, die Kolleginnen und Kollegen so einzusetzen, dass sie ihre Stärken entfalten können, ist das ein Gewinn für alle.  

Sie engagieren sich im Energieausschuss der IHK Region Stuttgart. Welche Themen stehen dort aktuell im Fokus und wie fließt Ihre Erfahrung aus der Praxis in diese Arbeit ein?

Die Region Stuttgart ist ein Industrie- und Gewerbestandort mit einem starken Mittelstand. Und für Industrie und Gewerbe sind energierechtliche Themen enorm wichtig geworden. Energie ist ein Kostenfaktor und damit ein Wettbewerbsfaktor.  Zugleich ist den Unternehmen bewusst, dass sie eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung spielen. Diese Verantwortung nehme ich deutlich wahr. Ich unterstütze die IHK-Mitgliedsunternehmen mit rechtlicher Expertise und zeige auf, welche Entwicklungen für sie relevant sind. 

Sie lehren Energierecht an der Hochschule Esslingen. Was nehmen Sie aus der Lehre mit in die Kanzlei und umgekehrt?

In der Lehre kommt es darauf an, Energierecht für Nichtjuristen verständlich zu machen. Im Prinzip kann ich in der Lehre genau die Fähigkeiten nutzen und ausbauen, die auch für die anwaltliche Tätigkeit zur Kernkompetenz gehören.  

Das Bild vom rund um die Uhr arbeitenden Anwalt hält sich hartnäckig. Wie finden Sie Ihre persönliche Balance zwischen Beruf und Privatleben?

Auf mich trifft dieses Bild nicht zu. Rund um die Uhr arbeite ich nicht und ich glaube auch nicht, dass ein solcher Arbeitsstil produktiv oder nachhaltig ist.  

Ich habe im letzten Jahr damit begonnen, mit dem Fahrrad zum Büro zu fahren. Die Rückfahrt hilft mir bereits, runterzukommen. Wenn ich dann, durchgefroren, durchnässt oder verschwitzt, zu Hause ankomme, werde ich von meinen Kindern und meiner Frau nochmals gefordert, mit Hausaufgaben, Alltagsfragen, Vesper-Boxen kreativ befüllen, Einkäufe und Haushalt. Ich habe damit nach jedem Arbeitstag ein sportliches und mentales Trainingsprogramm, mit dem ich meine persönliche Balance herstellen kann. Um halb zehn etwa falle ich dann wie ein Stein ins Bett – in voller Balance. 

Vielen Dank für das Gespräch!