18. Regulierungskonferenz des AK REGTP am 14. Mai 2024

Es war eine besondere Regulierungskonferenz, zu der BBH-Partner und Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Theobald die über 300 Teilnehmenden am 14. Mai 2024 im Berliner Hotel Meliá begrüßte. Zum einen gab es Grund zum Feiern, schließlich wurde der AK REGTP 20 Jahre alt. Zum anderen war da das in der Branche alles bestimmende Thema, das zwar keinen Anlass zum Feiern dafür aber zur regen Diskussion bot: der Epochenwechsel zur Regulierung 2.0 beziehungsweise die Frage, wie die Bundesnetzagentur (BNetzA) nun mit ihrer neuen Machtfülle umgehen würde. Der zweite Teil der Konferenz war auf die Finanzierungswende ausgerichtet: „Regulierung 2.0 setzt auch ein Umdenken voraus, was das Thema Finanzierung angeht, nicht nur die Energiewende betreffend, sondern auch bezüglich der Infrastrukturen, denn sonst werden wir das gemeinsam nicht stemmen können, was uns allen bevorsteht“, so Theobald.

„Novellierung des EnWG – Epochenwechsel in der Regulierung“ war das Motto des Konferenzvormittags, der von Barbie Kornelia Haller, Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur, eröffnet wurde, die über die künftige Regulierung aus Sicht ihrer Behörde berichtete. Den Rahmen der Regulierung wird die BNetzA in Zukunft selbst gestalten – „eine Zäsur für die deutsche Energieregulierung“, so Haller. Nach einem Abriss über die Anstrengungen, die auf alle Akteure der Energiewirtschaft zukommen, wenn Deutschland 2045 klimaneutral sein soll, kam sie zu der Frage, auf die sich die meisten Konferenzteilnehmenden eine Antwort erhofften: Wie wird die BNetzA den Regulierungsrahmen gestalten? Wie wird sie aussehen, die Regulierung 2.0? Zunächst schilderte die Vizepräsidentin die neue Struktur der Behörde: Eine „große Beschlusskammer Energie“ wurde eingerichtet, zwei Ebenen von Festlegungen werden eingeführt, Rahmen- und Methodenfestlegungen. All dies soll das Regulierungssystem einfacher, verständlicher und schneller machen. Zugleich machte Haller klar, dass „vorausschauender Netzausbau seit jeher Aufgabe der Netzbetreiber ist.“ Die Vernachlässigung dieser Pflichten werde nun auch Folgen haben. 

Im Anschluss schilderte Dr. Kai Roger Lobo, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VKU, die künftige Netzregulierung aus Sicht der Verteilnetzbetreiber. Seinen Vortrag begann er mit einem Lob: Die BNetzA hat ihre neue Rolle bislang „mit Bravour und Augenmaß ausgeübt.“ Gleichwohl lenkte er den Blick auf den gigantischen Investitionsbedarf, der auf die Netzbetreiber zukommt, was zu steigenden Netzentgelten führen wird. Netzanschlüsse können beschleunigt werden, aber beim physischen Ausbau stoßen die Netzbetreiber an ihre Grenzen. Doch trotz aller Schwierigkeiten „ist vorausschauender Netzausbau geübte Praxis seit aller Zeit in den Verteilnetzen“.

„Die künftige Regulierung aus Sicht der Rechtsprechung“ war Thema von Anne-Christin Frister, Vorsitzende Richterin des Kartellsenats des OLG Düsseldorf. Zunächst konstatierte sie, dass sich die Rolle der BNetzA fundamental ändern wird, „sie tritt an die Stelle des Verordnungsgebers“. Bei der Beurteilung, wie die Bundesnetzagentur bislang agiert, schloss sich Frister dem Kompliment ihres Vorredners an. Anschließend stellte sie klar, dass die Frage bislang nicht geklärt sei, inwieweit Rahmenfestlegungen der BNetzA überhaupt beschwerdefähig sind. Dann fasste sie die Sorgen mancher Beobachter vor möglichen Rechtsschutzlücken zusammen: „Wir haben es zukünftig mit einem Behördenhandeln zu tun, das auf der Grundlage weitgehend selbstgesetzter Entscheidungsmaßstäbe beruht.“ Nach Frister kommt auf die BNetzA aber in Zukunft ein deutlich höherer Begründungsaufwand zu. „Das führt in den Anfangsjahren dieser neuen Regulierungswelt zu einer Erweiterung des Raums für die gerichtliche Kontrolle.“ Sorgenträger kann Frister also beruhigen: „Kontrollfreie regulatorische Gestaltungsspielräume sind nicht zu befürchten.“

Die Betrachtung des neuen Regulierungssystems rundete BBH-Partner und Rechtsanwalt Stefan Missling aus anwaltlicher Sicht ab und erinnerte die Anwesenden daran, dass das EuGH-Urteil, das zu der neuen Machtfülle der BNetzA geführt habe, von der Politik auch anders hätte interpretiert und umgesetzt werden können. Er benannte alsdann die Defizite des neuen Regulierungsmodells. Insbesondere machte er deutlich, dass zukünftig der rechtliche Rahmen von der BNetzA selbst bestimmt werde, „der Normgeber ist nun gleichzeitig der Normanwender“. Missling sieht hier erhebliche Einschränkungen für einen effektiven Rechtsschutz. Hier sei eine Super-Behörde entstanden, „die sich ihr eigenes Recht schafft, welches nach einem Monat, nämlich nach dem Ablauf der Beschwerdefrist, nicht mehr gerichtlich überprüft werden kann.“ Doch Missling machte auch Hoffnung, denn „es gibt auch Licht, wo viel Schatten ist.“ Seine Lösungsansätze betrafen sowohl eine Neujustierung der Rechtsprechung zu Allgemeinverfügungen und zum Regulierungsermessen als auch Korrekturen durch den Gesetzgeber.  

Es folgte ein „Einwurf“ von BBH-Partner und Rechtsanwalt Dr. Olaf Däuper „Zur Transformation der Gasnetze“. Fossiles Erdgas wird bis 2045 keine Rolle mehr spielen. Gasnetzbetreibern bleiben drei Möglichkeiten: Weiternutzung des Netzes mit Biogas, Umwidmung zum Wasserstoffnetz oder Stilllegung. Sämtliche Gasnetzbetreiber stehen vor großen Herausforderungen. Er wandte sich an die Teilnehmenden: „Sie alle werden ein Gasnetztransformationsprojekt bewältigen müssen, am besten fangen Sie mit der Planung frühzeitig an“. 

Prof. Dr. Christian Theobald eröffnete das erste Panel des Konferenztages und drückte zunächst seinen Respekt für die BNetzA aus, die die komplexe Aufgabe übernimmt, aus dem Scherbenhaufen, den das EuGH-Urteil geschaffen habe, nun ein neues System basteln zu müssen. Damit betonte er die Notwendigkeit einer Neujustierung der Rechtsprechung beim Umgang mit Festlegungen bzw. Allgemeinverfügungen. Anne-Christin Frister hielt das ebenfalls für möglich. Barbie Kornelia Haller sah ihre Aufgabe darin, dafür zu sorgen, dass die Festlegungen möglicherweise beklagbar sind, aber trotzdem einer rechtlichen Prüfung standhalten. Stefan Missling gab zu bedenken, dass es im alten Regulierungssystem Normen gab, an denen man sich orientieren konnte. „Vielleicht wird die Rechtsprechung nun dazu kommen, dass sie mutiger wird, eine inhaltliche Entscheidung zu treffen, die sich aus den Zielvorgaben ableitet.“ Dr. Kai Roger Lobo sorgte sich, dass die BNetzA nun über politische Dinge entscheide, zum Beispiel die Gewerbesteuer betreffend, mit dramatischen Konsequenzen für die Kommunen. Das könne zu einer Abnahme der Akzeptanz von Regulierung führen. Die Frage aus dem Publikum, ob denn die Panelisten daran glauben würden, dass das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 überhaupt erreicht werden kann, beantwortete Haller ganz Beamtin: „Das ist die Aufgabenstellung und der komme ich nach“. Lobo sah das Problem in fehlenden Investitionen – ein idealer Übergang zum zweiten Teil des Konferenztages. 

Der Nachmittag der Regulierungskonferenz hatte den Titel „Anforderungen an die Finanzwende“ und wurde durch BBH-Partner Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Rudolf Böck mit einem Vortrag über die „Finanzierung des Netzausbaus in der Energiewende“ eingeläutet, der die Befürchtung äußerte, dass die für die Transformation notwendigen Summen so hoch sind, dass sie manch einer schon wieder ausblende. Umso wichtiger, sie an diesem Tag der Regulierungskonferenz zu nennen: 1,2 Billionen Euro – der größere Teil dieser immensen Summe sei in den nächsten sieben Jahren zu leisten. Es handele sich um einen Investitionsbedarf, der insbesondere von Gesellschaftern kleiner und mittlerer Unternehmen auf kommunaler Ebene – und diese tragen die größte Transformationslast – kaum zu stemmen wäre. Ergo: Das Kapital muss von außen kommen. „Ohne privates Kapital geht es nicht“, so Böck. Mit Blick auf die Diskussion am Vormittag war sich Böck sicher: „Wir brauchen eine risikoadäquate Rendite. Dafür braucht es eine verlässliche Eigenkapitalverzinsung. Kein Investor möchte nach vier Jahren durch eine Festlegung einer Regulierungsbehörde in seiner Rendite gekürzt werden.“ Wie lockt man aber die potenziellen Geldgeber? Die Stadtwerke benötigen hierfür einen Zugang zum privaten Kapitalmarkt. Eine mögliche Lösung wäre ein Energiewendefonds gekoppelt mit Ausfallbürgschaften durch den Staat.

Diesen spannenden Ansatz nahm Rudolf Böck mit in die anschließende zweite Diskussionsrunde, die von den beiden BBH-Partnern Rechtsanwalt Axel Kafka sowie Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Thomas Straßer moderiert wurde. Zum Thema des Panels „Finanzierung der Energiewende“ konstatierte Kafka zunächst, dass „trotz der Zinswende zwar genug Geld da ist – die Frage ist aber, zu welchen Bedingungen und wie bekommen wir es in die Energiewirtschaft hinein.“ Die Erwartungshaltung an die Gesprächsrunde war groß. Es ging um nicht weniger als die Fragen, wo kommt das Geld für die Energiewende her und wer finanziert sie. Zunächst schilderte Christiane Preuß, Geschäftsführerin Energie und Wasser Potsdam GmbH, die Projekte, die sie vor Ort im Kontext der Energiewende zu stemmen hat. Die Gesamtinvestitionen werden sich danach auf rund eine Milliarde Euro belaufen. Einen in der Praxis erprobten Vorschlag zur Finanzierung der Energiewende brachte Dr. Matthias Kollatz, Finanzsenator a. D., in die Runde und berichtete über den in seine Amtszeit als Finanzsenator fallenden, schuldenbremsenkonform finanzierten Rückerwerb der Stromnetz Berlin. „Wenn man Darlehen aufnimmt, die finanzielle Transaktionen sind oder Anteile erworben werden, die für sich heraus wirtschaftlich sind, zählt das nach der Schuldenbremse nicht als untersagte Landesverschuldung.“ Dr. Tobias Brosze, Geschäftsführer der Palladio Kommunal GmbH, war sich sicher, dass man privates Kapital braucht, aber prinzipiell müssen alle Varianten herangezogen werden. Nur: „Die Regulierung wird von privaten Investoren als Risikoposition gesehen.“ Rudolf Böck brachte es noch einmal auf den Punkt: „Die Netze müssen investitionsfähig werden und da sind wir derzeit weit von entfernt.“ Straßer fasste die Aussagen des zweiten Panels zusammen: „Wir haben einen klaren Auftrag mitgenommen, nämlich dass wir schnell unterwegs sein müssen. Es ist eine große Aufgabe und die muss jetzt gelöst werden.“

Nach einem langen, aber kurzweiligen Konferenztag mit vielen spannenden Diskussionen und kenntnisreichen Vorträgen verabschiedete Prof. Dr. Christian Theobald die Teilnehmenden, nicht ohne die wesentlichen Punkte dieses Tages der Regulierung noch einmal zusammenzufassen: Alle Beiträge waren bestimmt vom dramatischen Rückzug der Legislative aus der energiepolitischen Verantwortung und den Versuchen, das Vakuum zu schließen; u. a. mit der Weiterentwicklung der BNetzA zu einer zugleich normsetzenden und normanwendenden „Superbehörde“. Auch wenn Theobald den fachlichen Teil der 18. Regulierungskonferenz mit dem optimistischen Bonmot seines Kollegen Missling schließt, „Wo Schatten ist, ist auch Licht“, haben die Diskussionen des Tages eines ganz sicher gezeigt: Der AK REGTP ist alles andere als entbehrlich und wird auch in den nächsten 20 Jahren für das notwendige Licht und die entsprechende Orientierung sorgen.

 

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